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Recipient Ferenc Széchényi
Place of Writing London
Date 1815. October 21.
Language German
Tag horses travel
Location of Preservation MNL OL P 623 A-I.-9.-No.44/51.
Place of Publication Zichy 170–171., SzIVM I. 27–29.
Classification Original
Content Summary

He is becoming increasingly aware of how far he is from home, having only received one letter from his parents, and hopes that his loved ones are well. He is troubled by his difficulty with English; he hopes that the unpleasant, expensive journey will not be entirely useless. He returned from Newmarket the day before yesterday; perhaps a total of 40 horses ran there. Soaked to the bone, they covered the return journey in eight hours; they did so in a hurry in order to get to London before the Archdukes. When they arrive, it will be decided how his life here will turn out.
He does not think he can accompany Archduke John, for he intends to stay in England for more than six months, and he is not so anxious to see this country. Lord Sligo, who is due to arrive any day now, invites him to Ireland, but if Pál Esterházy stays in London, he may not be too keen on leaving the city either.

Ferenc Széchényi

Geschrieben den 21 October 1815 in London[1]

Mein lieber guter Vater, alle Tage fühle ich mehr, daß ich ziemlich weit von meinen lieben Eltern bin, oder daß uns eine See wenigstens trennt ~ da ich bis izt[2] nur einen einzigen Brief vom Hause erhalten hab‘[a] – ich hoffe – daß sich meine guten lieben Angehörigen recht gut – und vergnügt befinden, und das ist alles was ich wünsche – auf andere Nachricht bin ich gar nicht begierig – da doch in der Welt alles eine langweilige Wiederhohlung des Alten ist — und mir übrigens auch die Scenen der großen Welt ziemlich eckelhaft geworden sind – desto mehr beschäftiget mich England ~ obwohl das ganze eben so eine Machine ist – wie alles übrige was wir zu bewundern pflegen – und was doch kein Leben kein Gefühl in sich verberg[3] und eben so geschwind zusammen fallen wird – so ist hier der Mensch doch – wie es scheint weiter gekommen — und das interessiert mich und giebt mir Vergnügen —. Nur ist kränkend für mich, daß es mit meiner englischen Sprache so verdammt schlecht geht – die hier, wenn man in das Innere der Dinge[4] ohne[5] Auffallen zu erregen, dringen will – nicht zu entbehren ist —

Mein ganzer Tag vergeht auch ohne. daß ich mich einer anderen Beschäftigung widme und bis jetzt machte ich – nach meiner Idee, sehr wenige progressen –. Wie man doch um einen kleinen Vortheil — über andere Menschen zu haben — sich abmartert und zerknirscht! — Es ist aber eine Art. von Ruhiger Seeligkeit[6] die man in der Nähe der Vollkommenen.6 fühlt – und es ist glatterdings gar nicht zu begreifen – wie es Menschen geben kann, die sich davon so muthwillig entfernen —. Jede Reise die ich bis jetzt machte kömmt mir auch vor wie eine lange lection ~ das Zuhausekommen – wie die Unterhaltung — ich hoffe auch daher, daß ich diese so sehr unangenehme theure Reise nicht umsonst gemacht werde haben. –

Es ist aber wirklich recht gut, daß ich Euer Gnaden, von meiner assiduität – und beharren – in meiner Vervollkommung so viel erzähle, und daß ich5 ganze Täge zu haus sitze um den Shakspeare zu studieren indessen ich erst vorgestern von Newmarket[b] zu Hause kam –. Diese kleine excursion konnte ich mir unmöglich versagen – und ich war auch prächtig dafür bezahlt — In der hin-Reise machte ich mir den Spaß eine Stage Coach zu versuchen –, was eigentlich die schlechteste Art ist. zu fahren ~ die Mail Coach sind dan viel besser, wie mein guter Vater wissen. und endlich kommen die Postchaisen; ich war aber so unglücklich in eine ziemlich schlechte, oder wenigstens langweilige Gesellschaft zu gerathen und meine neue experience, in der Diligence mit anderen 26 personen zu fahren — war nicht die angenehmste – hingegen währte es nur 12 Stunden – und ein ziemlich gutes Wirthshaus in Newmarket wo ich und Woyna,[c] der auch von der Parthei war. gegen Mitternacht ankamen ~ ersetzte uns bald das Vergnügen, welches uns in der Coach ein betrunkener Bierbrauer — durch seine Späße in Anfang – und dann späterhin durch seine Üblichkeiten auf die schrecklichste Art vertrieb.

In Newmarket sind in allen gegen 40 Pferde gelaufen — was ich so schlecht finde ist, daß man 2 und 3 Jährige Pferde laufen lassen muß – um, wie sie behaupten sie5 bekannt zu machen – bevor aber so ein Pferd seine natürliche Kraft erhällt ist‘ es beinahe schon immer krapirt ~. Dem nämlichen Tag – noch ganz durchnäßt vom Regen der den ganzen Tag dauerte – bin ich wieder in eine Postchaise in 8 Stunden zurück — Wir eilten so um auf jeden Fall denen Erzherzögen[d] vorzukommen – die nun alle Tage erwartet werden.

Sobald sie ankommen, wird sich dann meine weitere Lebensart hier entscheiden: noch bin ich aber selbst4 nicht entschlossen. was ich thun werde = ich glaub‘ nicht, daß ich die Erzherzogs begleiten werde können, da Sie, wie man sagt. länger als 6 Monaths in dem Land bleiben wollen – und das gestehe ich wäre doch für meine Neugierde ein wenig zu viel. – Lord Sligo[e] der auch dieser Tagen ankommen wird – proponirte mir mit ihn nach Irrland zu gehen – und so hab‘ ich noch so ziemlich eine Wahl = sollte Paul Eszterházy[f] aber in London sein, so wäre es möglich daß ich die Stadt gar nicht verließ — den[7] es ist hier für mich doch das meiste zu gewinnen.

Ich küße die Hände und bit um den Segen – ich schreibe mit jeder Gelegenheit. Steph


[1] Széchenyi’s underlining with wavy line.

[2] A variant of the archaic form ‘itzt’ of the determiner ’jetzt’ used by Széchenyi.

[3] Instead of verbirgt.

[4] One word deleted.

[5] Inserted afterwards.

[6] Széchenyi’s underlining with straight line.

[7] Instead of denn.


[a] The letter is not known.

[b] Newmarket, the venue of English horse racing, with seven races a year since the early 17th century.

[c] Count Moritz Woyna (1788–1850) was a colonel in the 4th Uhlan Regiment, but was a major at that time.

[d] I. e. before the arrival of the Archdukes János and Lajos of Austria and the English Regent in London.

[e] Howe Peter Browne, 2nd Marquess of Sligo (1788–1845) Irish statesman, Lord Lieutenant of the County of Mayo (1831–1845), Governor of Jamaica (1834–1836). Széchenyi met him in Naples in 1814. Széchenyi met him in Naples in 1814. SzIN 1. 66.

[f]Prince Antal Pál Esterházy (1786–1866) diplomat, ambassador to London, later minister besides the king.

Recommended reference:

István Széchenyi to Ferenc Széchényi, London, 21 October 1815. Edited and annotated by Szilvia Czinege. Published in Correspondence of István Széchenyi. Digital edition. Edited by Szilvia Czinege and Zoltán Fónagy. https://szechenyilevelezes.abtk.hu/ Abbreviation for further references: SzIL-Digit.

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