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Recipient Ferenc Széchényi
Place of Writing London
Date 1815. November 24.
Language German
Tag travel
Location of Preservation MNL OL P 623 A-I.-9.-No.44/58.
Place of Publication Zichy 182-184.
Classification Original
Content Summary

The next day, he leaves for a few days, travelling with Eszterházy to the countryside, to the estate of the Duke of Bedford, one of the most beautiful areas of England. He thinks about the education of young people and whether he himself is on the right path. He is very much looking forward to seeing his parents again.

Ferenc Széchényi

Geschrieben in London den 24 Novem. 1815[1]

Lieber guter Vater, morgen gehe ich auf einige Täge, mit Eszterházӱ[a] auf das Land zum dem Herzog von Betford,[b] dem ich so wie die Herzogin[c] aus Florenz schon früher kante. – Diese kleine Reise freut mich sehr da das Landgut, wohin ich gehe eins der schönsten in England in hinsicht der Gebäude und Gärten – und eins der best; und am wirthschaftlichsten eingerichteten in Betreff der oeconomie ist ~ und wiewohl das immerwährende Ansehen der Dinge, ohne große Vorkentniße derselben zu haben – eine der unnützesten Beschäftigungen ist, die ich kenne — wie ich‘s in einen meiner frühen Briefe Euer Gnaden bereits sagte, so ist die perfection eines englischen zweckmäßigem und geschmackvollem Landhauses so groß, daß sie ganz zur natürlichen Ursache und simplicität, die jedem Menschen einleichtend und leicht erklärbar ist zurück kehrt — und das langweilige und unbelehrende verliert — die jede complicirte Machine, mehr oder weniger zur Natur hat. Auch finde ich die maxime jungen Leuten über jeden Gegenstand — und jede Wissenschaft — oberflächliche[2] Kenntniße beizubringen — nur für sehr junge Leute gut — deren Character noch nicht formirt sein kann ~ und denen es recht gut ist[3] – viele Gegenstände vorzulegen, um sie dan – nach Ihrem Sin und Geschmack wählen zu lassen – welchen Weg sie gehen  – und welcher Sache sie sich dan mit mehr Ernst und strenge ergeben werden — diese Freiheit selbst = zu – wählen,2 finde ich für Wissenschaften, die das mechanische überschreiten sollen – nothwendig — Wie viel Nachtheiliges hat es aber mit sich – daß man so viel anfängt und nichts zu Ende bringt? das ist das schwere und seltene – „in einem Fach standhaft zu bleiben – und einem sich nur ergeben„ — da es doch wahr ist, daß der menschliche Verstand leider, und unsere Gaben – nicht hinlänglich sind — um überall ausgezeichnet sein zu können[d] — Die Sitten – die Gebrauche der Welt — unsers Jahrhundert‘s – und das was uns hebt – was uns Titeln und Ehren giebt,[4] ist zu oft in geheimen Zwist und Uneinigkeit — mit dem was wir fühlen, was das Herz uns sagt. — da liegt es – daß der Weg – den wir gehen müßen, so schwer so unangenehm wird — auch schrecken viele zuruck – und nur der standhafte, seinem Sinn treu geblieben erreicht zuletzt – nach vielem wilden Sturm des Lebens, der uns ach; wie oft unbarmherzig herumwirft, das Ziel — Vieleicht bin ich auf dem guten Weg, wenn auch ungesehen — ! was hab’ ich anjetzt – von allen meinen Bemühungen – alles was ich erdulden mußte? – vieleicht nicht einen einzigen aufrichtigem Freund. ~ Wie schnell ist der schöne Traum verflohen, den ich in meiner Kindheit mir vorgaukelte — und wie unangenehm ist das Erwachen nun – umgeben mit der schlechten niedrigen Welt. – und so weit noch zur Erlösung! — Wie sehnet man sich weg in eine luftigere Region — und mit wie viel Sorgen und bangen Stunden werden wir noch Bekanntschaft machen. – Meine guten Eltern. ich freu mich so sehr wieder zuruck— ich kann’s nicht erwarten Sie zu umarmen – die einigen Monathe die ich weg bin, scheinen mir eine lange Reihe von Jahren — und soll der Öhlzweig glückbringend — einig schöne Jahre, über mein liebes theures Vaterland blühen, so soll mich auch nichts in der Welt von Ihnen mehr trennen. – Und wie froh bin ich daß ich ohne Sie nicht sein kann — den[5] mein Herz ist3 Zeuge, wie sehr ich Sie liebe. – Es kann jeder Mensch nicht sagen daß ihn so viele Leidenschaft zur Erde feßelt. –

Küße die Hände – und bitt um den Segen Steph


[1] Széchenyi’s underlining with wavy line.

[2] Széchenyi’s underlining with straight line.

[3] Széchenyi’s underlining with straight line

[4] One word deleted.

[5] Instead of denn.


[a] Prince Antal Pál Esterházy (1786–1866) diplomat, ambassador to London, later minister besides the king.

[b] John Russell (1766–1839) 6th Duke of Bedford, Whig politician, father of Prime Minister John Russell (1792–1878).

[c] John Russell’s second wife, born Georgiana Gordon (1781–1853).

[d] His reflection above contains a veiled reproach about his own perceived lack of education. He confessed more about this and his pedagogical views in general in his work entitled Önismeret (in English: Self-awareness). Published in SzIVM 3. 7–193.

Recommended reference:

István Széchenyi to Ferenc Széchényi, London, 24 November 1815. Edited and annotated by Szilvia Czinege. Published in Correspondence of István Széchenyi. Digital edition. Edited by Szilvia Czinege and Zoltán Fónagy. https://szechenyilevelezes.abtk.hu/ Abbreviation for further references: SzIL-Digit.

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