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Recipient Ferenc Széchényi
Place of Writing Teplitz
Date 1813. October 2.
Language German
Tag family military money
Location of Preservation MNL OL P 623 A-I.-9.-No.43/15.
Place of Publication Zichy 82–85., SzIVM I. 22–25.
Classification Original
Content Summary

He received a letter from his father dated 5 September, the contents of which caused him great pain. He did not deserve his parents’ accusation. His coat had been forcibly taken by the Cossacks, who also robbed his fellow officers. In the confusion, he could not even think of buying new clothes. First he was sent to Wittgenstein and then on to Barclay, then to Count Pahlen. For three days and three nights he was cold and wet, living on bad water and rotten bread, until he fell ill on the 25th. Even then, however, he did not leave the front line, but continued to serve half dead until the 29th and even then he did not want to retire, but hoped that a lucky bullet would end his misery. He borrowed from the banker Ballabene and Dr Sachs, and from Captain Appel. Ballabene, who only dealt in large deals, did not even ask him for interest, as he promised his parents would immediately transfer the loan to Fries. Now he dare not face him. Dr Sachs, who also lends without interest, expects repayment every day. And tomorrow they leave Teplitz. He asks his parents for forgiveness; he has already caused so much bitterness without bringing them any joy. So he asks for the last time that 1,000 forints and 200 ducats be deposited in his name with Fries, lest he be disgraced. He asks nothing for himself, although he has only twenty ducats in all. He will probably be sent to Platov today, and must therefore hurry to the field marshal. He begs for the love of his parents, which he has not yet earned, despite all his efforts. And he must face all dangers with this thought.

Ferenc Széchényi

Geschrieben in Teplitz den 2ten 8ber 1813.[1]

Euer Gnaden, gnädigster Vater!

Heute bekam ich Euer Gnaden Ihr Schreiben von 5ten 7ber:[a] und es schmerzt mich tief in diesen Augenblick von meinen Vater diesen Brief zu bekommen. Ich überlas ihn einigemal, und konte kaum glauben, daß es von meinen Eltern sey: und sehe auch, daß ich nie mehr glücklich seyn werde können da ich in einen Zeitpunkt,1 wo ich mir gar nichts vorzuwerfen habe, wo mich alle Menschen mit Liebe und Freundschaft begegnen. und wo mich das Schicksal ohnehin so gewaltsam verfolgt, und gerade meine Eltern die einzigen sind, die mich mit so harten Vorwürfen – auf das äußerste kränken, gar nicht mehr wünschen kann mein Leben zu conserviren. – Euer Gnaden, Lieber Vater, haben wohl gar keine Idee von Krieg den wir führen – kein Soldat in der Combinirten Armée hat so viel ausgestanden, als wir bey Dresden1 (Von allen den konte man nicht schreiben da unser Verlust erschrecklich warr) ausgestanden haben. – Meinen Mantel nahmen die Kosacken mit Gewalt wech[2] (Z. B.[3] davon kann ich wieder gar nichts schreiben daß die meisten Officier, Ihre Bagage durch diese Menschen verlohren haben)

An der Anschaffung eines andern Mantels war in der Confusion nicht zu denken, und nachdem ich also von Wittgenstein[b] zum Barclai,[c] von den zum Grafen Pahlen[d] geschickt wurde 3 Tage 3 Nächte immerfort naß wurde, nichts anderes als infames Wasser und verfaultes Brodt zu essen bekam, erkrankte ich endlich den 25ten: ich gieng aber nicht zuruck — und machte meine Schuldigkeit, halb todter1 bis zu den 29ten auch damals[4] wollte ich nicht zuruck, in der Hoffnung, daß eine glückliche Kugel meiner Elend ein Ende machen werde. Mit Gewalt ließ mich der Feldmarschall[e] der mir so gnädig so freundschaftlich die Hand gab, daß ich es nie vergessen werde nach Prag transportieren. In 8 Tagen war ich wieder in Teplitz. hab’ indessen wieder einige Kugel pfeiffen gehört, bin aber vor keiner erschrocken — und von der ganzen Armée hat nicht 1 Mann eine zweydeutige Idee über mich. Bey der Bataille von Dresden, nachdem mein Fieber[5] das üble Wetter1, und die Kanonade1 immer mehr zugenommen hat gieng mir mein Pferd durch — ich musste bis Panevitz[f] zu Fuß lauffen da kaufte ich ein infames Pferd1 um 100 Ducaten die ich nicht hatte — und hätte 500 dafür gegeben, da mir das Leben damals noch lieb war; jetzt —— brauche ich keines mehr; Kranker kam ich in Prag an, kleidete mich von Kopf bis zu den Fuß ganz um, da ich nicht eine Hosen brauchen konnte mußte den Schneider und den Schuster 1700 fl[6] zahlen. NB[7] hätte ich alles das in Wien um 4 bis 500 Gulden bekommen – und ich war glücklich daß ich es um das Geld bekam. Schrieb voll Vertrauen meinen Eltern, und nachdem ich ohnehin von Ihrer Gnade 1263 fl6 Quartal zu bitten hatte, und von meinen Capital etwa 1000 fl6 so glaubte ich nicht daß Sie die Summe von 200 Ducaten – und 1000 fl6 W. W.[8] erschüttern werde – und hätte ich auch von Ihnen gar nichts zu hoffen gehabt, so glaubte ich, daß Ihre Liebe mir gar nichts versagen würde: der Banquier Ballabene, der kein Wucherer ist, gab mir 1000 fl6 W. W.8 und 50 Ducaten in Gold – 150 bin ich den ehrlichen Doctor Sachs[g] und 50 dem Rittmeister Appel[h] schuldig — Ballabene[i] der bloß größere Geschäfte macht[j] – nahm von mir kein procento, da ich ihm versprach, daß Euer Gnaden das Geld alsogleich bey Fries[k] erlegen würden; jetzt kann ich mich vor seinen Augen nicht sehen lassen da er mich einer Lügner schelten würde, Doctor Sachs,1 der mir 100 Ducaten auch ohne procento gab, wartet alle Tage auf die Bezahlung – ich kann’s nicht leisten bin in der größten Verzweiflung, da wir morgen marschiren und ziemlich weit gehen, wo ich keine Nachricht von meinen guten Eltern mehr bekommen werde —

 Ich weiß nicht was ich machen soll? und bitte, daß Euer Gnaden dieß einzigemal mir noch helfen sollen – In der Zukunft werde ich schon fortkommen, und werde lieber in Elend bleiben, als Euer Gnaden einen unangenehmen Brief schreiben –

Gott weiß, daß ich so unschuldig bin, daß ich auf die Liebe und Theilnahme meiner Eltern Rechnung machen hätte können Alles ist gegen mich und das Schicksal scheint mein Leben verbittern zu wollen, gegen alles das kann ich[9] nicht kämpfen – Und bitte meine guten Eltern, die ich so unaussprechlich liebe, umvergebung, daß ich Ihr leben schon so oft verbittert habe, und Ihnen noch keine Freude gebracht, — Meiner lieben lieben Mutter bitte ich die Hände zu küssen

Guter Vater ich bitte also nur noch dießmal 1000 fl6 W. W.8 und 200 Ducaten bey Fries ohne allen Procento für mich zu erlegen, daß ich4 nicht in der Schande bleibe; ich werde nichts mehr verlangen, obwohl ich nicht mehr wie 20 Gulden In meinen Vermögen besitze. Ich werde mir aber alles abschlagen, und hungern – und so muß ich auskommen —

Ich werde Heute vermuthlich zum Platoff[l] abgeschickt, und muß zum F. M.[10] eilen; indessen kann ich gar nichts anderes bitten, als daß mich meine guten Eltern ein wenig nur lieben sollen — dan ist mein höchster Wunsch auf dieser Erde erreicht ist dieß nicht, so ist mir das Leben auch nichts mehr. – Ich gab mir Mühe es zu erkauffen, es gelang mir noch nicht — schrecklich! daß ich mit diesen Bewußtseyn, jeder Gefahr entgegen gehen muß! — Gar keinen Trost gar keine Freude auf dieser Welt mehr

Nun küsse ich die Hände guter Vater, mit der Versicherung, daß mein letzter Athemzug, mein letztes Wort, dankbar sich gegen Himmel empor haben wird, für alles was meine Eltern für mich gethan –

Weinend schließe ich meinen Brief den Segen kindlich bittend

Euer Gnaden

dankbarer Sohn Stepherl


[1] Széchenyi’s underlining with wavy line.

[2] Instead of weg.

[3] Zum Beispiel

[4] One word deleted.

[5] Széchenyi’s underlining with two straight line.

[6] florins

[7] Nota bene. Latin: note well.

[8] Wiener Währung

[9] Inserted afterwards.

[10] Feldmarschall


[a] The letter is not known.

[b] Count Adolf Peter Wittgenstein (1769–1843) general of cavalry.

[c] Count Michael Andreas Barclay de Tolly (1761–1818) Russian infantry general.

[d] Peter Johann Christoph von der Pahlen Count (1778–1864), Russian cavalry lieutenant general.

[e] Prince Karl Schwarzenberg (1771–1820) Austrian field marshal.

[f] Bannewitz, a Saxon village near Dresden, the quarters of Field Marshal Schwarzenberg’s camp during the Battle of Dresden.

[g] József Sachs (1761–1839) was a medical officer, at that time head of the Austrian army’s medical service.

[h] Baron Keresztély Appel (1785–1854) was at that time second captain and commanding officer in the general staff, and in the Battle of Leipzig he became first captain, out of turn. He was promoted to major in 1822, in 1826 to chief aide-de-camp to Emperor and King Francis. In 1834 he was made a general, and he died as a cavalry general.

[i] Karl Balabene (1786–?) banker in Prague.

[j] See also the letters of 31 August and 3 September 1813 for the transaction.

[k] Count Moritz Fries (1777–1826), Viennese banker and patron, head of the banking house Fries and Company.

[l] Count Matvey Ivoanovich Platov (1753–1818), Russian cavalry general (Cossack hetman) in the corps of the cavalry general Count Benningsen.

Recommended reference:

István Széchenyi to Ferenc Széchényi, Teplitz, 2 october 1813. Edited and annotated by Szilvia Czinege. Published in Correspondence of István Széchenyi. Digital edition. Edited by Szilvia Czinege and Zoltán Fónagy. https://szechenyilevelezes.abtk.hu/ Abbreviation for further references: SzIL-Digit.

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