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Recipient Ferenc Széchényi
Place of Writing Frankfurt
Date 1813. November 17.
Language German
Tag military
Location of Preservation MNL OL P 623 A-I.-9.-No.43/19.
Place of Publication Zichy 90–92., SzIVM I. 25–27.
Classification Original
Content Summary

It is almost certain that they will spend a few days here. Tired of fighting, he is looking forward to the end of the campaign. War requires every soldier to overcome natural human emotions, and he has hardened his heart to the point of shuddering. His friend, the Grand Duke Constantine, left here today. He is impatient for his return, for he sees in him his only patron; he has promised to take him into his regiment of buglers, and he does not believe this Kamchadal prince, who, in his belligerent mood, may send him to Tobolsk, so he keeps his corsets, his uniform, and his beard, which he has been allowed by his superiors to add to a goatee. Yesterday was a grand ball; the distinguished guests appeared in shoes and stockings. He was rudely expelled for wearing boots worn red. General Wrede is improving and will be quite good in four or five weeks. They feel very sorry for Lt Col Wurmbrand, who was shot dead in the last skirmish. It’s a wonder so few of their acquaintances were killed at Leipzig. He only heard of poor Hoyosch today. It is said that he has been taken to Rötha, near Leipzig, and that his recovery from his serious wounds, the large number of wounds, and the consequent food and nursing difficulties, is not very promising, and that he cannot do anything for him, either; they pushed forward immediately after the battle of Leipzig, and he is now very far from them. It is the nature of warfare to march on the dead bodies of one’s friends to victory.

Ferenc Széchényi

Geschrieben in Frankfurt[a] den 17 9ber 1813.[1]

Es ist den[2] endlich beynahe schon bestimmt, daß wir nur noch einige Tage hier zubringen werden: und allen ist’s ungemein‘ lieb obwohl unsere existenz in Frankfurt sehr bequem und angenehm ist: die allgemeine Gute Sache1 aber die fordert‘s – und das ist genuch[3] und hinlänglich, um alle unsere Vergnügungen, alle unsere Wünsche selbst beyseiten zu setzen, und für diesen erhabenen schönen Zweck, den wir so thätig entgegen arbeiten ~ alles was wir haben „Glück[4] und Leben4 zu opfern.

Für meine Wenigkeit kann ich sagen, daß ich diese Campagne sehr sattsam genossen habe: und daß ich das Ende dieses so schrecklichen Trauerspiels mit Freude und innigsten Wonne erwarte: vorhin war Leidenschaft1 die mich zu allen was ich thun mußte anspornte, – jetzt bloß die Pflicht,4 und der Eiserne Gehorsam:4 und je mehr man dieses fürchterliche Handwerk kennt, desto mehr sieht man, daß das was wir Groß4 was wir edel4 nennen – so klein4 so niedrig4 sey: und, daß der Mensch mehr nach den äusern Schein4 und nach der Ehre,4 die seine Nebenmenschen ihm zollen müssen, strebe, als nach seinen Beruhigenden Bewusstseyn4 welches himmlische Gefühl der Unglückliche nicht kennt, nicht ahndet das größte Verdienst was jeder Kriegsmann im strengsten Sinn des Wortes haben kann, ist „so viele Menschen als er nur immer vermag umzubringen, oder umbringen zu lassen1 der das gut erfüllt, der ist geliebt, geehrt, geschätzt: der ohne Befehl dieses schöne Werk vollendet – dem entgeht kein Orden1 kein Ehrenband1 selbst der Wladimir nicht,[b] der anjetzt auch meine kleine Figur verschönert, und mich wirklich, ich kann’s nicht anderes sagen — ausnehmend interessant macht: für mich ist’s doppelt angenehm, da ich keiner Seele „wenigstens war‘s mein Wille nicht, etwas that, sondern mich nur stets in die defensive positur setzte – – kam einer also mir zu nah, so war‘s seine eigene Schuld, wenn ich ihm etwa aus ohngefähr[5] auf die Pratzen klopfte. –

So entgegen gesetzt ist also der Krieg allen den was uns die Natur seit unserer Kindheit in unsern Herzen einimpft: und es kostet wirklich Mühe, und man braucht Kraft – bis man jedes Gefühl des Erbarmens und des Mittleidens unterdrückt: ich habe endlich durch viele Anstrengung mein Herz wie Stahl gehärtet, und bin anjetzt wirklich so erschrecklich grausam, daß ich mich kaum traue allein mit mir selbst zu bleiben, – muß immer wen mit mir haben der mich gegen mich schützt.

Groß Fürst Constantin,[c] mein Freund, ist heute von hier wech[6] gefahren, und mit Ungeduld sehe ich seiner Zuruckkunft entgegen, da er mein einziger Patron, mein einziger Gönner ist: er will mich zu seinen Cuirassier Regiment nehmen; ich traue aber der Treue dieses Kamtsadalischen[d] Prinzen nicht, der mich, aus Spaß so einmal in der kriegerischen Laune nach Tobolsk[e] expediren könnte, und behalte meinen anspruchslosen Grünen Uniform samt Schnurbart[f] der anjetzt ein grausames Ansehen erhalten hat, und in Beyhülfe eines Spitzbarts.1 den ich zu tragen mir die Erlaubniß gegeben habe, mir die Figur eines Spanischen Insurgenten giebt, so zwar, daß alle Engländer, die in unsere Nähe kommen, mich für einen Spanischen Abgesandten halten. –

Gestern war ein großer Ball, und alle hochen Gäste mußten in Schuch und Strümpfen erscheinen: ich, der ich zur größten Parade ein paar hochroth schreinde1 Juchtene Stiel habe, und äuserst lächerlich finde etwas anderes mit mir zu nehmen, wurde von diesen Fest, ganz grausam ausgeschloßen.

General Wrede[g] ist schon viel besser und wird höchstens in 4 bis 5 Wochen ganz gut seyn – übrigens bedauern wir den armen ObristLieutenant Wurmbrand4[h] der bey der letzten unbedeutenden Affaire von Hocheim todt geschossen wurde: daß bey Leiptzig so wenige von unsern Bekannten geblieben sind, ist wirklich wunderlich, den2 es hat verflucht herum geschlagen — es wird wohl eine nähere und vollständigere Relation über diese Schlacht ergehen. denn was man bisher gesagt hat ist nun gänzlich falsch — p. ex.[7] sagt man, daß unser ganzer4 Verlust 8 bis 10 m[8] betragt, indessen der Östreichisch-Verlust allein, über 29 m8 ausmacht. – 1000 Feuer Schlünde haben gegen einander gespielt indessen die combinirte Armée allein über 800 Stück in Feuer hatte, und in diesen Verhältniß ist unendlich viel Falsches[i]

Von den armen Hoyos1[j] hab‘ ich erst heute Nachricht erhalten – er soll in Rötha,4[k] das ist unweit Leiptzig, in Spital gebracht worden seyn – nach allen Anschein, und nach seinen äuserst gefährlichen blessuren[9] — und die schlechte Wartung die alle diese Unglücklich bekomen, da man wegen der Menge, und wegen den Mangel an[10] allen Lebensmitteln für sie in der Geschwindigkeit nicht sorgen konnte — hoffe‘ ich sehr wenig für ihm – Nach der Schlacht von Leiptzig gieng’s so eilend vorwärts, daß ich damals nichts von ihm erfahren konnte: und jetzt bin ich so unendlich weit von ihm, daß ich ganz auser dem Stande gesetzt wurde, ihm auch in Geringsten anjetzt nützlich seyn zu können. Er hat’s bis jetzt – – schon gewiß überstanden, was uns zu überstehen noch übrig bleibt – folglich nur ein Gewinn für ihm – schmerzhaft für seine Eltern und das ist ja eben was unser schönes Handwerk mit sich bringt — „über die Leichname seiner Freunde – – zum Siege zu schreiten.“ — – Umbezwingbar[11] und eisern ist das Schicksal — und je früher die erlösungs Stunde schlägt – desto besser ist‘s beynahe

Nun guter Vater bitte ich um den Segen, und werde wo möglich von hier noch einmal schreiben – Meiner guten lieben Mutter. bitte ich die Hände tausendmal zu küssen.

Stepherl


[1] Széchenyi’s underlining with wavy line.

[2] Instead of denn.

[3] Instead of genug.

[4] Széchenyi’s underlining with straight line.

[5] The form of the determiner ‘ungefähr’ used in the 18th and 19th centuries.

[6] Instead of weg.

[7] par exemple, French: for example.

[8] mille

[9] French: injury.

[10] Inserted afterwards.

[11] Instead of Unbezwingbar.


[a] A German town on the banks of the Main River, enjoying the status of a free state, then a member of the Confederation of the Rhine.

[b] The Allied armies involved in the Battle of Leipzig mutually decorated each other’s officers. Széchenyi was awarded the Russian Order of St. Vladimir, Cross of the Fourth Class, for his rank and position in the general staff. In addition to his rank, he earned the award for taking part in the cavalry charge at Güldengosse. (See the letters of 22 October and 6 November 1813.)

[c] Grand Duke Konstantin Pavlovich of Russia (1779–1831), brother of Tsar Alexander I, commanded the Russian-Prussian reserve force in 1813 and was regimental commander of the 8th Russian Cuirassier Regiment. His brutally rude nature made him legendary (see Mór Jókai’s novel Szabadság a hó alatt [Freedom under the Snow]) and he became a source of many troubles during the campaign. One of the sensational episodes of the Congress of Vienna, convened to conclude the 1813–14 campaign, was when he publicly struck Prince Windischgrätz in the face, who drew his sword, forcing the Russian heir to the throne to leave the Congress and Vienna.

[d] The Kamchadal are the indigenous inhabitants of the Kamchatka Peninsula in the north of the Asian continent. Széchenyi also alludes to the harshness of the Grand Duke.

[e] The capital of the eponymous Siberian governorate on the lower Ob river basin. General Vandamme, who was captured at the Kulm, was imprisoned there.

[f] The 1st Lancer Regiment had a grass green uniform with scarlet lapels.

[g] Count Karl Philipp Wrede (1767–1838), commander-in-chief of the Bavarian troops fighting in the Allied armies, attempted to hold off Napoleon’s retreat from the Battle of Leipzig at Hanau on 30-31 October 1813, but was defeated and he himself was wounded.

[h] Count Georg Wurmbrand (1768–1813), a dragoon lieutenant colonel, fought valiantly at the capture of Hochheim, in pursuit of the French, and was shortly afterwards mortally wounded at Kassel.

[i] The exact number of casualties suffered by the participants in the Battle of Leipzig cannot be determined. The Allied army numbered 205,000 men, the French 190,000. Subsequent calculations put the total number of killed and wounded at 40,000 to 70,000, the Prussian losses at 498 officers and 15,555 soldiers, the Russian losses at 865 officers and 21,740 privates, the Austrian losses at 420 officers and 14,538 men, the Swedes 4 officers and 169 privates, a total of about 54,000. The French had left 33,000 dead and wounded on the battlefield, 15,000 wounded in Leipzig hospitals and shelters, another 15,000 – the Vandamme corps – captured and 5,000 defected, so that Napoleon’s total losses about twice as many as those of the Allies. The victors’ spoils of war: 28 flags, 325 cannon, 900 cartridges, 1440 tons of gunpowder, 40,000 rifles (findings of the Bárány–Spira research group).

[j] Count János Ernő Hoyos (1766–1849), whose wife, Countess Mária Anna Kufstein (1775–1836) was a cousin of Széchenyi, was the daughter of his father’s sister, Countess Mária Terézia Széchényi (1749–1798). Hoyos survived the apparently fatal wound.

[k] Saxon village near Leipzig, on the Pleiße River.

Recommended reference:

István Széchenyi to Ferenc Széchényi, Frankfurt, 17 November 1813. Edited and annotated by Szilvia Czinege. Published in Correspondence of István Széchenyi. Digital edition. Edited by Szilvia Czinege and Zoltán Fónagy. https://szechenyilevelezes.abtk.hu/ Abbreviation for further references: SzIL-Digit.

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