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Recipient Ferenc Széchényi
Place of Writing Frankfurt
Date 1813. December 3.
Language German
Tag military
Location of Preservation MNL OL P 623 A-I.-9.-No.43/23.
Place of Publication Zichy 97–100.
Classification Original
Content Summary

After an eight-day absence, he returned from his mission exhausted but with an inner sense of satisfaction at having completed the task. Two letters from his parents were waiting for him in his room. The general did not accept Dresden’s surrender. The general had charged him and Count Schulenberg with the task of pursuing and intercepting the fugitives by different routes. In a few days they will cross the Rhine, and he will shortly leave for Grand Duke Constantine. Once again, he asks for the 180 ducats for the repair of his stables, as his father had offered earlier. His stables and wardrobe are now in order, and all he needs now is the blessing of his parents and heaven, and the chance to fight bravely in battle on his new Cossack horse. From now on he will number the letters he writes home, and his father should do the same when he writes to him, so that they will know if any of them are lost.

Ferenc Széchényi

Geschrieben in Frankfurth den 3 Dezember 1813.[1]

No 1.

Wie unendlich glücklich ging heute die Sonne für mich auf! Acht Tage war ich nun abwesend,[a] habe nicht einen Augenblick ruhen, nicht eine Stunde schlafen können, bin denn endlich ganz müde ganz marode heute hier angekomen – — und was fand ich „die Zufriedenheit meines Bewusstseins[2] meine Geschäfte gut und pünktlich vollzogen zu haben, und zugleich die „meines guten Feldmarschall‘s“:1 vergnügt und munter gieng ich denn späther – von den Innern1 und Äusern Richter1 freӱ gesprochen – gegen meine kleine ruhige Capuzinen Zelle,1 wo ich so manche einzelne Stunde schon dem Andenken deren Menschen fröhlich brachte – die allein meine existenz verschönern, versüßen — — — und sich da, was fand ich in meinen kleinen Gemach? Zwey Briefe meiner Lieben theueren Eltern. — — Ach es war ein schöner Augenblick! den[3] kann die Ewigkeit mir nicht wieder geben — und mit Thränen in Augen fühlte ich. ich Thor, mein Glück meine Seeligkeit – der ich mein Leben mein daseyn, so oft schon verhaßte —  Lange, lange sah in den Himmel empor — und es war ein unbekanntes mächtiges Gefühl welches mich in höhere Regionen mit sich fortriß — und ich sah’ der Vergangenheit, meiner Kindzeit unwiederbringliche süße Bilder — sah die Gegenwart, diese rauche eiserne Zeit — sanft vergehen — und die Zukunft — ach! wie froh wie heiter erwartet die uns! — Länger konnte ich diese seelige Stunde selbst nicht ertragen — ich wurde mir selbst wieder gegeben und ein sanftes Dankgebeth floß dankbar und milde aus meiner Brust – – zu unsern allmächtigen Vater empor —– und alle diese glücklichen Stunden, wem, ach wemm verdanke ich Sie? meinen guten Vater und Mutter nur allein — Gott danke Ihnen — ich — ich — kann‘s nicht: auch macht mich dieß betrübt — und immermehr kann ich Ihnen dankbar seyn. —

Meines lieben Vaters Brief[b] überlas ich den3 noch hundertmal,2 und die Lieben Zeilen meiner guten innig geliebten Mutter imer ruhiger, doch nie ohne auserordentlichen Entzücken — — und bin da schon beflißen, mit meinen kalten krummen Fingern, meinen guten Eltern für Ihre Liebe und Ihr so sanftes Andenken, herzlich zu danken. – Auch bitte ich um Vergebung, daß ich vor meiner Abreise[c] – Euer Gnaden nicht geschrieben habe, es gieng aber so geschwind so toll, daß ich bloß an den Rücken eines an meinen Bruder Paul fertigen Briefes schreiben konnte[d]eben gehe ich in die Schweitz1 den er bis jetzt wohl schon bekommen hat ~ hingegen habe ich Euer Gnaden aus Engen2 ganz nahe von Schafhausen, wo ich auf Postpferde eine Stunde warten mußte, einen ganz kurzen Brief[e] geschrieben – bloß um ein Zeichen meines Lebens zu geben.

Meine Reise war sehr angenehm — Wie mein guter Vater wissen wurde die Capitulation von Dresden nicht eingegangen – sondern der feldmarschall[f] machte denen schon herausgezogenen Franzosen die beyden Vorschläge „wieder in die Stadt zuruckzukehren und sie von ganz neuen zu vertheitigen[4] – oder sich zu ergeben. —„ Da waren dan schon mehrere Generäle wechgereist[5] und suchten wo möglich die Gränze ihres Vaterlandes zu gewinnen. – Da schickte der Feldmar.[6] den mich und den Grafen von der Schulenburg[g] jeden auf eine andere Straße, um diese Menschen anzuhalten. Der Auftrag war den freylich ein wenig schwierig, da von Freyburg bis Lindau[h] kein Militair war, und wir diese armen Flüchtlinge bloß mit Bauern auffangen hätten sollen. Um geschwind an Ort und Stelle zu kommen bin ich von hier bis Basel[i] geritten bin aber dort halb todter angekommen: von da gieng’s denn über Lauffenburg nach Schafhausen[j] — von da nach Constanz[k] – und so über Stockach[l] und Stuttgard[m] – hierher[n] Durch das schnelle reiten gewann ich so viel, daß ich den Rheinfall,1 diese erhabene Scene der Natur ~~ mit muse‘ ansehen, den alten grünen Bodensee2[o] ohne Übereilung anschauen konnte. — Alles dieß gieng vortrefflich bis auf das, daß kein einziger General zu meinen Gränzen kam die durch die Bauern, die für uns so ungemein gut gesinnt sind — so genau besetzt war, daß ich eine ordentliche Schlacht hätte liefern können: zu meiner Consolation wurden Sie aber alle ohnweit Straßburg,[p] wotzu sie Ihren Weg nahmen, gefangen.

Anjetzt werden wir ganz gewiß in ein paar Tagen von hier wechgehen5 — und wie mir scheint wohl über den Rhein setzen.[q] Diese große Arbeit, die wir anfingen, durch den Frieden das Wohl und Glück der Menschheit zu begründen, wird uns noch sauer werden – und es wird das Blut noch manches brawen Kerls kosten. Je nun wenn es trifft — in Gottes gerechter barmherziger Hand fährt man auch in die andere Welt ruhig und unerschrocken — und desto größer werden die das Glück des Friedens genießen – die übrig bleiben –

In einer Stunde muß ich zu dem Großfürsten Constantin,[r] der mich eben hohlen ließ …[7] und bey dem ich vermutlich speissen werde. Ich muss gestehen – daß ich ihn rasend lieb habe, weil er uns Östreicher und besonders Ungarn so ungemein wieder[8] Liebt und weil er bis auf einige Fehler’s2 ein gar guter Kerl ist1 — (der Kerl,2 ist freÿlich ein etwas undelicater Ausdruck für den Bruder des Königs und Kaÿsers, – allen für ihn passt er nu ganz vorzüglich gut) —

Mein lieber guter Vater waren so gnädig mir neuerdings anzutragen meinen Stall — und enfin[9] alles – in guten Stand zu setzen — Ich habe schon auf den ersten Brief mit allen beyden Händen zugegriffen — und bey den Herren Herz,1[s] wie ich’s in meinen letzten Brief schrieb 180 Ducaten genommen die ich bey die Herrn Geymüller et Comp[t] — auszuzahlen und zu berichten unterthänigst bath — Mein Stall – und meine Garderobe ist also in Ordnung und ich brauche gar nicht’s — als den Segen meiner Lieben Eltern und des Himmels und eine Gelegenheit in der Schlacht meine neue Kosacken tüchtig herum tummeln zu können.

Nun guter Vater — muß ich mich ein wenig putzen und zusammen schrauben, um meinen Gönner zu gefallen.

Meiner Lieben guten Mutter küsse ich die Hände vielmal — und bitte um den Segen —

Stepherl

Auch will ich von nun an alle meine Briefe zur größeren Ordnung numerieren — um zu wissen ob welche verlohren gegangen sind. Auch bitte ich meinen guten Vater, das nämliche zu thun, da ich kein Schreiben meiner theuer Eltern gerne vermissen möchte —


[1] Széchenyi’s underlining with wavy line.

[2] Széchenyi’s underlining with straight line.

[3] Instead of denn.

[4] Instead of verteidigen.

[5] Instead of weg-

[6] Feldmarschall

[7] Széchenyi’s scoring.

[8] Inserted afterwards.

[9] French: in the end.


[a] On his mission, see the notes of the previous letter of late November 1813.

[b] The letter is not known.

[c] On 23 November, he set off for the Swiss border to round up the fleeing French.

[d] The letters to his brother are not known.

[e] This is a letter from Engenbol written at the end of November.

[f] Prince Karl Schwarzenberg (1771–1820) Austrian field marshal.

[g] Count Carl Schulenburg-Vitzenburg (1788– after 1852) lieutenant colonel, Schwarzenberg’s aide-de-camp.

[h] A Bavarian town on the northeastern tip of Lake Constance.

[i] Swiss town on the banks of the Rhine.

[j] Laufenberg and Schaffhausen, Swiss towns on the Rhine. Near the latter is the famous Rhine Falls that Széchenyi admired.

[k] Konstanz, the seat of the district of Baden that bears its name, is situated between Lake Constance and Lake Zell.

[l] The town in Baden lies on the banks of the river of the same name.

[m] Stuttgart, the capital Württemberg.

[n] I. e. to Frankfurt.

[o] On the northern border of Switzerland.

[p] Capital of Alsace-Lorraine.

[q] The main army began its crossing of the Rhine on 20 December.

[r] Grand Duke Konstantin Pavlovich of Russia (1779–1831), brother of Tsar Alexander I, commander of the Russian-Prussian reserve force.

[s] The Herz brothers merchants in Prague.

[t] Geymüller & Co. The Vienna banking house of Swiss bankers Johann Heinrich Geymüller (1754–1824) and his brother Johann Jakob Geymüller (1760–1834).

Recommended reference:

István Széchenyi to Ferenc Széchényi, Frankfurt, 3 December 1813. Edited and annotated by Szilvia Czinege. Published in Correspondence of István Széchenyi. Digital edition. Edited by Szilvia Czinege and Zoltán Fónagy. https://szechenyilevelezes.abtk.hu/ Abbreviation for further references: SzIL-Digit.

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